Am 2. Mai 2010 findet in Sindelfingen der erste Bürgerentscheid der Stadtgeschichte statt. Es geht um die Frage, ob die Hauptschule am Klostergarten zugunsten der anderen Hauptschulen geschlossen werden soll. Der Grund: Die Zahl der Hauptschüler ist geschrumpft. Und damit man deren Schulen in Werkrealschulen umwandeln kann, muss man eine davon schließen. So argumentieren Stadtverwaltung, Gemeinderat und Elternbeirat. Dass dies ausgerechnet ihre und damit die größte Hauptschule sein soll, leuchtet den „Klostergärtnern“ nicht ein. Sie möchten beim Bürgerentscheid ein mehrheitliches Ja zu ihrer Schule erreichen.
Das kann Häckerling gut verstehen, wie er auch versteht, dass die tief verarmte und demnächst hoch verschuldete Kommune Sindelfingen nach jedem Strohhalm greift, der Kosten einzusparen verheißt. Ein paar hunderttausend Euro weniger für eine Schule, das bringt schon was.
Aber die Schließung einer Schule ist mehr als die Stilllegung einer Fabrik. Es wird damit ein wichtiges Kapitel kultureller Stadtgeschichte abgeschlossen und es werden beträchtliche pädagogische Mühen und Erfolge eingestampft. Das tut weh. Das müsste auch nicht sein. Denn die Werkrealschule ist ein Schulmodell, dessen Erprobung und Bewährung noch aussteht. Mit ihr hat sich das Land Baden-Württemberg von der Dreigliedrigkeit des Schulwesens verabschiedet und steuert die Viergliedrigkeit an.
Was ist die Werkrealschule? Im Schulgesetz heißt es (in § 6): (1) „Die Werkrealschule vermittelt eine grundlegende und eine erweiterte allgemeine Bildung, die sich an lebensnahen Sachverhalten und Aufgabenstellungen orientiert. Sie fördert in besonderem Maße praktische Begabungen, Neigungen und Leistungen und stärkt die Schüler in ihrer Persönlichkeitsentwicklung. Sie ermöglicht den Schülern entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit und ihren Neigungen eine individuelle Schwerpunktbildung insbesondere bei der beruflichen Orientierung. In enger Abstimmung mit beruflichen Schulen schafft sie die Grundlage für eine Berufsausbildung und für weiterführende, insbesondere berufsbezogene schulische Bildungsgänge.“
Und in § 6, (2) steht: „Die Werkrealschule baut auf der Grundschule auf und umfasst sechs Schuljahre. Sie ist grundsätzlich mindestens zweizügig und kann auf mehrere Standorte verteilt sein. Sie schließt mit einem Abschlussverfahren ab und vermittelt einen dem Realschulabschluss gleichwertigen Bildungsstand (Mittlere Reife).“
Und was erfahren wir über die Hauptschule? „(3) Schulen nach Absatz (1), die einzügig sind, führen die Schulartbezeichnung Hauptschule. Sie umfassen in der Regel fünf Schuljahre und führen zum Hauptschulabschluss.“
Also: Eine Hauptschule ist eine einzügige Werkrealschule. Was soll das? Ließe sich aus Hauptschule, Werkrealschule und Realschule nicht etwas Zukunftsfähigeres formen?
(Blog-Eintrag Nr. 176)
Eine Antwort auf „Ja oder Nein“
Den Nicht-Sindelfingern unter den Lesern sei gesagt, dass der Bürgerentscheid am 2. Mai 2010 gescheitert ist. Nur 17% der Abstimmungsberechtigten sind zur Wahl gekommen; nötig gewesen wären 25%. 10% der Wahlberechtigten haben mit Ja, 7% mit Nein gestimmt. Die Hauptschule am Klostergarten wird also bis spätestens 2012 aufgelöst.
Ob die Hauptschulen auf dem Goldberg und im Eichholz den ersehnten Status einer Werkrealschule erhalten, wird sich zeigen. Dazu müssen diese Schulen dauerhaft zweizügig sein, also in jedem Schuljahr deutlich über 30 Schüler haben.
Die Realschule im Eschenried wird ebenfalls verschwinden. Auf sie warten die Klassenzimmer der Schule im Klostergarten. Sindelfingen kann das Gebäude der Realschule abreißen und den Grund und Boden verkaufen. Das soll ein paar hunderttausend Euro in die nachhaltig leere Stadtkasse bringen.